Projekt: Leben und Arbeiten in der Höttinger Gasse

Protestaktion 2008


Lebensraum Höttinger   Gasse - 

Der Kampf um Lebensqualität

       

Der immerwährende Kampf um Lebensqualität

"Diese Kastanie haben die Kinder gerettet. Ca. 8 Kinder sind im Baum gesessen und der Bagger konnte ihn nicht fällen", erinnert sich Frau Edith Baumann an eine spektakuläre Aktion in der Höttinger Gasse 14, auf dem kleinen Platz neben dem ehemaligen "Gasthaus zur Traube", an der auch ihre eigenen Kinder teilgenommen hatten. Frau Baumann ist heute 75 Jahre alt und seit 1991 aktiv, um sich mit vielen Mitstreiter*innen für mehr Lebensqualität in der Höttinger Gasse, der Schneeburggasse und der Riedgasse einzusetzen.

Die Höttinger Gasse ist nicht nur seit alter Zeit eine wichtige Durchfahrtsstraße sondern auch der Lebensraum der Bewohner, die mit jedem weiteren Hausbau mehr wurden. Aber nicht nur in der Höttinger Gasse, sondern auch in den nördlich davon liegenden Stadtteilen Hötting und  Hungerburg wurde fleißig gebaut. Deshalb mussten im Jahr 1990 auch die Wasserleitungen sowie die Strom- und Postkabel saniert und erweitert werden[1]. Einige Monate später kam noch  ein neuer Straßenbelag dazu und der Verkehr konnte wieder ungehindert nordwärts fließen.

Leitungen verlegen 1990

Wenig verwunderlich, dass sich wenig später, Ende September 1991, schließlich eine Bürgerinitiative gründete, die sich gegen die ständig steigenden Belastungen wehrte:   "Hilfe wir ersticken in Abgasen, Lärm und Staub" - "Ein Herz für Hötting" - "Weg mit dem Durchgangsverkehr" - so lauteten die Slogans, mit denen die Aktivist*innen der Bürgerinitiative vor das alte Rathaus in Innsbruck zogen,  um dem damaligen Bürgermeister Romuald Niescher 800 Unterschriften für eine Sperre der Schneeburggasse für den Durchgangsverkehr Richtung Peerhofsiedlung zu übergeben. 

Laut Stadtblatt vom 2. Oktober 1991 lehnte der Bürgermeiste eine Vorsprache der Initiative ab. Aber er versprach, das Anliegen der Höttinger an seine Experten weiterzugeben. Wenn es keine realisierbare Lösung gäbe "bleibt wohl nur mehr die Möglichkeit einer Aussiedlung", meinte der Journalist am Ende Beitrags.

Daraufhin machte der Verkehrsreferent GR. Ing. Martin Krulis eine "Verkehrsstromanalyse" in der Schneeburggasse und stellte anhand von 176 Fahrzeugen in westlicher Richtung und 104 Fahrzeugen in östlicher Richtung an einem Regentag von 7:20 Uhr bis 8 Uhr fest, dass der Verkehr "hausgemacht" sei.  Der Pendlerverkehr fließe hauptsächlich durch die Höttinger Au Richtung Kranebitter Allee. Auffallenderweise säßen hier in Hötting - frühmorgens! - vor allem "zahlreiche Höttinger allein im Fahrzeug,  andere  wiederum brachten ihre Kinder mit dem PKW in die Volksschulen nach Mariahilf und Hötting". Weitere Zählungen wurden angekündigt.

Bürgerproteste

Damals gab es am Beginn der Höttinger Gasse noch keinen Zebrastreifen und auch die 30-er-Zone fehlte. Aber es gab auch noch viel weniger Verkehr, als 17 Jahre später, im Jahr 2008. Damals informierte die Stadt-ÖVP in einer Diskussionsveranstaltung im "Ölberg" (Höhenstraße) darüber, dass für den Stadtteil Hugerburg zwischen 1000 und 2000 neue Wohneinheiten geplant seien. Da wurden die Anrainer wieder aktiv. Denn inzwischen  war nämlich die Verkehrsfrequenz in der Höttinger Gasse "in der Zeit zwischen sieben und 16 Uhr" auf "über 7000 Fahrzeuge" angestiegen, und in den seltensten Fällen würden sich die Menschen an "den vorgeschriebenen 30er halten". Und ein Anrainer von der Schlerngasse forderte endlich eine alternative Hungerburgzufahrt. (Tiroler Tageszeitung vom 25. April 2008) Die Bürgerinitiative wandte sich daraufhin an die grüne Gemeinderatsfraktion und  am 30. Mai 2008 berichtete die Kronen-Zeitung von einer Protestaktion:

Picknick am Inn

"Straßenprotest zur Stoßzeit ärgerte viele - Picknick der Grünen mitten auf Kreuzung in Innsbruck: Staus - enge Höttingergasse als großes Problem". Erst nach diesen Zeilen kam der Hinweis auf eine Bürgerinitiative, die von den Grünen unterstützt würde. 

"Eine Handvoll Demonstranten legte Mittwoch den Feierabendverkehr in Innsbruck teilweise lahm. Sie wollten damit auf die Verkehrsprobleme in Hötting aufmerksam machen" war dann unter einem Bild zu lesen. Darauf waren deutlich mehr als eine Handvoll Menschen zu sehen,  die vor dem Nadelöhr -  Eingang und Einfahrt zur Höttinger Gasse - auf dem Fahrstreifen  standen und saßen. Es gab auch Tische, mit Kaffee und Kuchen und jede Menge Plakate. Mit dieser Aktion wolle man auf die unhaltsame Verkehrssituation aufmerksam machen, meinte die damalige grüne Gemeinderätin Sonja Pitscheider. WK-Präsident Jürgen Bodenseer ärgerte sich, dass diese Blockade "bewilligt" worden sei, was aber gar nicht nötig war, weil es zur Wahrung des Versammlungsrechts völlig genügte, Aktion nicht zu untersagen.

Die Initiative machte später auch eine Autofahrer-Befragung und mobilisierte weiter gegen den Durchgangsverkehr in Richtung Westen. Am 8. Juni 2008 berichtete die Kronen-Zeitung von den Gefahren, die sich durch den steigenden Verkehr auch mit Bussen immer mehr verschärften: "Die Gasse ist lebensgefährlich". "Hötting - Verkehrskollaps!", "Lärm macht krank" - "TAXI -rücksichtslos Rasen statt Fahren" stand auf den Plakaten und Edith Baumann war wieder dabei und berichtete, dass befragte Autofahrer oft meinten, dass sie lieber hier fahren würden, weil es auf dieser Strecke keine Ampeln gäbe. Sie und  Klaus Stahl, Eva Schwarz und Irmgard Steidl forderten bei einem Lokalaugenschein mit dem Journalisten Philipp Neuner ein Tempolimit in der Höttinger Gasse und eine Gehsteigverbreiterung.  Die Polizei hatte daraufhin anscheinend rasch reagiert, wie es am 22. Juni 2008 dann in der Kronenzeitung zulesen war: Es wurde ein Tempomessgerät mit Zähleinrichtung aufgestellt, was zu einer leichten Verbesserung führte, wie Frau Baumann berichtete. Aber: "Wenn das ein richtiger Radarkasten wäre, die Polizei würde damit Unsummen an Strafgeldern erzielen können. 

Dieser Radarkasten würde freilich nur die Autofahrer abschrecken, nicht aber die Radfahrer, die die Höttinger Gasse immer wieder gegen die Einfahrt hinunterrasen und die ja keine Nummerntafeln haben. Ein weiterer Bericht vom 16. September 2008 machte auf dieses Übel aufmerksam. "Höttinger Gasse: Rennstrecke für Radler." "Speziell zu Semesterbeginn an der Uni müssen sich die Fußgänger vor Radlern in Acht nehmen, die gegen die Einbahn talwärts brausen und bei Gegenverkehr auf den Gehsteig ausweichen." Aber  auch die Autofahrer würden oft gerne die Beschleunigungsfähigkeit ihrer Kraftwagen testen - ohne Rücksicht auf "Lärm, Schadstoffausstoß und 30km/h-Beschränkung." Eine Radarkontrolle ergab, dass ein Fünftel der Autos zu schnell fahren würden der Großteil davon Taxis. Ein weiterer Artikel zum Thema am 29. Oktober 2008 berichtete dann über eine Bürgerversammlung, bei der die Betroffenen der damaligen ilde Zach Hilde Für-Innsbruck Bürgermeisterin   Hilde Zach ihr Leid klagten. Sie lehnte Baumaßnahmen ab: "Ampeln, Zebrastreifen oder gar Verkehrsinseln kommen nicht in Frage. Das Geld wird immer knapper." Stattdessen  forderte sie aber hart Strafen für die Übeltäter, die teils den Anrainern schon bekannt waren.

Tageszeitung

Am 30. April 2009 organisierten die Aktivist*innen von 17 Uhr bis 18:30 eine neuerliche Sperre der Gasse, um auf die Situation hinzuweisen und ihr Anliegen breiter bekannt zu machen. Daraufhin gab es im Bezirksblatt vom 6. Mai 2009 eine gute Nachricht: Der Gehsteig zwischen den Hausnummer 14 und 28 sollte  nach Leitungsverlegungen verbreitert werden, sowie auch das Schrammbord auf der anderen Straßenseite bei den Häusern 39 und 41.  Diese Maßnahmen waren um vier Jahre vorverlegt worden. 

Verkehrsberuhigung

Am 3. Mai 2011 berichteten Verkehrsstadtrat Ernst Pechlaner und Stadträtin Dr. Marie-Luise Pokorny-Reitter in "Innsbruck informiert", dass nun in der Höttinger Gasse für vier Wochen ein  Geschwindigkeitsmessgerät errichtet worden sei sowie ein Transparent über der Einfahrt in die Höttinger Gasse, das zum Langsamfahren auffordere. Im Juni würde von der Stadt ein fixes Gerät installiert werden.

Nun ist das Jahr 2023 gekommen, und Frau Edith Baumann und ihre Mitstreiter*innen möchten wieder einmal aktiv werden und eine weitere Aktion starten. Grund ist natürlich der weiterhin gestiegene Verkehr. Nachwievor wünscht sie sich eine Radarüberwachung und eine stärkere Bestrafung der Rowdies. Aber auch der erneute Fleckerlteppich von Straßenbelag sorgt für Lärmbelastung und der vertiefte Straßenrand sorgt bei starkem Regen und Matsch dafür, dass Fußgänger und Hausfassaden von meterhohen Wasserfontänen bespritzt werden. Inzwischen ist auch der Schwer-Verkehr durch zwei Baustellen in der Höttinger Gasse und viele weitere Baustellen weiter nördlich angestiegen. Erst ist es der Schwerverkehr, dann kommt der Zubringerverkehr zu den neuen Wohnhäusern. Schnell gefahren wird trotz rot warnendem  Messgerät nach wie vor, und auch die Radfahrer sausen weiter talwärts.  Hinzugekommen sind inzwischen auch noch die E-Scooter-Fahrer, die auch gerne ihre Vehikel mitten auf den schmalen Gehsteigen stehen lassen. Bleibt also noch viel zu tun, für die 75-Jährige... die übrigens direkt auch von Baufehlern bei einem neuen Nachbarhaus betroffen ist... Die Abgas-Lüftung aus der Tiefgarage ziehen aufgrund eines bis zur Grundstücksgrenze reichenden Vordaches direkt auf das  Nachbargrundstück, auf dem sie und ihre Mitbewohner*innen wohnen,  und zu ihren Schlafzimmerfenstern.

Die Plakatkartons waren bald gekauft, an den Slogans wurde gebastelt und man denkt wieder ans Unterschriftensammeln - und noch bevor an einer weiteren Sperre geplant wird, entstehen erste leise Protestformen, wie Mini-Gärtlein in Mauerecken, die etwas Bunt in das Grau der Gasse bringen sollen.  Frau Baumann griff wieder einmal  zum erprobten Pinsel und gestaltete erste Plakate, die an meinen zwei Erkern und an der Dachrinne von  Hausnummer 18 angebracht werden.  

Blumen und Plakate   Bunte Minigärtlein für den Lebensraum Höttinger Gasse

  Plakate machen aufmerksam   Baum Retten
  Mit Blumen und Plakaten machen wir auf unseren Lebensraum Höttinger Gasse aufmerksam. Hier wohnen auch Schulkinder, sie ist Schulweg. Der Baum im Hof der Hausnummer 14 muss wieder einmal vor dem Fällen gerettet werden, wofür die vor allem die Gebäudereinigerin Anna und Edith, meine Nachbarin einsetzen. Dabei unterstütze ich sie natürlich gerne...

Bebuntung des Stadtgrau

30-er Schilf freischneiden  Freigeschnittenes 30-er-Schild  

Die schon in die Jahre gekommene 30-er Tafel am Beginn der Gasse wurde frei geschnitten


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